Supervision und CoachingPraxisbeispiele

Praxisbeispiele

Kindliche Verhaltensweisen verstehen

Die Erzieher/-innen eines Kindertagesstätten-Teams berichten in der Teamsupervision über einen Jungen, der regelmäßig, aber „wie nebenbei“, andere schubst und ihre Spielsachen zerstört, ohne dass er im Alltag als aggressiv erscheint. Im Gegenteil, er wirke lieb und harmlos. Bei Interventionen erreiche man ihn nicht. Die Erzieher/-innen sind ratlos.

Plausible Bezüge zur familiären Situation des Kindes, die seine Verhaltensweisen erklären könnten, sind nicht zu finden. Jedoch geht ein Ruck durch das Team, als die Supervisorin fragt, ob wütende und aggressive Gefühle überhaupt „sein dürften“ in der Einrichtung.
Im weiteren Gespräch wird deutlich, dass eine ängstliche Übervorsicht entstanden war, nachdem vor einigen Jahren mehrere Kinder aus sehr gewaltvollen Familienverhältnissen in die Einrichtung gekommen waren. Das Team fühlte sich gegenüber der Gewalt in diesen Familien hilflos und versuchte, in der Kita eine Gegenwelt und einen Schonraum aufzubauen.

In der Supervision zeigt sich, dass es diese Erfahrungen sind, die der Bearbeitung bedürfen. In Bezug auf das Verhalten des Jungen wird deutlich, dass es von den Gleichaltrigen reguliert werden kann, wenn die aggressiven Affekte der Kinder nicht sofort „wegpädagogisiert“ werden.

Die eigene Rolle finden

Eine stellvertretende Schulleiterin, die vor Übernahme dieser Position bereits einige Zeit an ihrer Schule als Lehrerin gearbeitet hatte, gerät in ihrer neuen Rolle unter starken Druck, da sie mehrere Entscheidungen mitzutragen hat, die sie als problematisch empfindet.

Der Druck erhöht sich, als das Kollegium ihr gegenüber mit Ablehnung reagiert. Selbstzweifel an der eigenen Motivation und Eignung sind die Folge. Sie bittet um Einzelsupervision.
Bei der Fallanalyse wird als institutioneller Hintergrund deutlich, dass der Schulleiter seinerseits einen schweren Stand im Kollegium hat und heftig angegriffen wird. Er sucht in seiner Stellvertreterin eine Verbündete, woraufhin das Kollegium sie als verlängerten Arm des Schulleiters wahrnimmt und ihr mit Misstrauen begegnet.

Im Kollegium selbst besteht eine gewisse Reserviertheit gegenüber verschiedenen pädagogisch-strukturellen Veränderungen, die aus Sicht der stellvertretenden Schulleiterin notwendig sind. Man lässt sie in ihren Veränderungsbemühungen „auflaufen“, die Arbeit entwickelt sich nur wenig weiter. Darüber hinaus scheint die Stellvertreterin ihrerseits in einem so hohen Maße offen zu sein für die Delegationen des Schulleiters, dass sie sich völlig übernimmt.

Für die Supervisandin erweist es sich als entlastend, mit Hilfe der Supervisorin ihre Wahrnehmung für die Perspektive des Schulleiters und der Lehrerkolleg/-innen zu erweitern sowie ihre eigenen Ansprüche und Erwartungen zu sortieren. Dies trägt im Laufe der Zeit zu mehr Selbstsicherheit und konstruktiver Konfliktfähigkeit mit dem Schulleiter und dem Kollegium bei.

Die richtigen Entscheidungen treffen

Eine Mitarbeiterin eines Wirtschaftsunternehmens bittet um Coaching, weil sie befürchtet, dass ihre Abteilung von einer anderen Abteilung übernommen wird. Sie empfindet diese Absicht als feindlich und weiß nicht, wie sie sich verhalten soll.

Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass sie sich in enger Loyalität mit ihrem Kollegen befindet, der mit seinem Verhalten bei den anderen Kolleg/-innen häufig auf Unverständnis stößt. Sie sieht sich mit ihm im „Doppelpack“ und fühlt sich für ihn und sein Verhalten sehr verantwortlich. Gleichzeitig fürchtet sie um ihren Ruf.

Die Bewusstmachung dieses inneren Konflikts wirkt befreiend und eröffnet den Weg zu neuen Handlungsmöglichkeiten. Sie entwickelt die Idee, sich in ein anderes Haus des Betriebs zu bewerben und ist bereit, sich aktiv um ihre Belange zu kümmern. Ihre Initiative ist erfolgreich, und sie übt jetzt eine neue Tätigkeit aus.

Mitarbeiter/-innen führen

Ein Mitglied einer Coaching-Gruppe für Leitungskräfte in der Kindertagesstätte berichtet über eine Mitarbeiterin, die sich im Team auffallend selbstbezogen und anklagend verhält und ihre Arbeit nicht angemessen bewältigt.

Die Schilderung einzelner Szenen löst in der Coaching-Gruppe unterschiedliche Reaktionen aus. Ein Teil reagiert mit Gefühlen von Schwere und Teilnahmslosigkeit, andere wiederum mit Aggression und Ungeduld. Diese Reaktionen werden für das Fallverstehen genutzt, indem die Hypothese entwickelt wird, dass die betreffende Mitarbeiterin unter depressiven Symptomen leiden könnte. Darüber hinaus wird hinterfragt, ob sie eine Belastung zum Ausdruck bringt, die das ganze Team betrifft. Deutlich wird, dass das Team unter hohem Druck steht, weil sich die Arbeit mit manchen Kindern als sehr schwierig erweist.

In der Supervisionsgruppe wird der Falleinbringerin geholfen, das anstehende Gespräch mit der Mitarbeiterin vorzubereiten, und es wird überlegt, welcher Unterstützungsmaßnahmen das Team bedarf.

Teamprozesse verstehen

Der Leiter einer heilpädagogischen Einrichtung, in der die Kindergruppen jeweils mit einer weiblichen und einer männlichen Fachkraft besetzt sind, thematisiert die „Paarbildung“ in seinem Team.

Es habe sich aus dem Kreis von 12 Mitarbeiter/-innen ein Liebespaar gefunden, was sich als schwierig auf die Zusammenarbeit im Gesamtteam auszuwirken drohe. Der Mann verhalte sich zunehmend herablassend gegenüber dem Leiter, und das Team verfolge interessiert das Geschehen zwischen den beiden Rivalen. Der Leiter fürchtet um seine Anerkennung. Ihn ärgert das Verhalten seines Mitarbeiters, das er als konkurrent, Regel verletzend und unmotiviert erlebt, schon seit längerer Zeit. Er habe ihn bereits des Öfteren darauf angesprochen.

Im Coaching kann die Paarbildung als Abwehr verunsichernder Gefühle verstanden werden, die im Team angesichts der destruktiven Rivalität der beiden Männer entstanden war. Sie erscheint auf unbewusster Ebene als Versuch, dieser Rivalität ein „triumphales Ende“ zu setzen. Der Mitarbeiter hat eine der begehrten Frauen bekommen, und das Team erfreut sich an der neuen Liebe, anstatt dem Sog der Rivalität der beiden Männer ausgesetzt zu sein. Im weiteren Beratungsverlauf wird daran gearbeitet, wie der Leiter mit den Themen Konkurrenz und Rivalität souveräner umgehen und wie er mit dem Paar sprechen kann.